Text: Copyright © by M. Uhlmann / 200bar.de
Fotos: © U. Silbermann (3) und Oliver Fritsche (2)
Die Dinge haben sich verändert. Das Wasser am Grund ist nun wärmer als an Oberfläche. Die dicke Eisschicht ist
völlig durchsichtig, der See darunter ruht. Ein paar Schwäne wechseln hin und wieder das
Standbein, um nicht auf ewig mit ihr verbunden zu werden. Die flach über den Baumkronen
stehende Sonne verschwendet keine Kraft mehr an den aussichtslosen Kampf gegen den Frost.
Diese winterliche Stille wird nur von den rhythmischen Schlägen zweier Äxte gestört, die beherzt
gegen Eis und Kälte angehen...
Ein Tauchgang unterm Eis gehört zu den ganz besonderen Erfahrungen im Taucherleben. Fällt Sonnenlicht
durch eine klare Eisdecke, so ergibt sich ein einfach unbeschreiblich schönes Licht. Die ausgeatmeten Luftblasen
bleiben unter dem Eis gefangen. Sie sehen aus wie flüssiges Metall und ändern ständig ihre Form - ein
wirklich traumhaftes Schauspiel.
Alles ist noch stiller als sonst. Aber auch die neuen Perspektiven, welche den meisten Menschen
wohl ihr Leben lang verborgen bleiben, machen den Reiz des Eistauchens aus. Nur die wenigsten werden wohl einmal
einen Schlittschuhläufer von unten beobachten können ;-)
Zum Hintergrund dieses Artikels
Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, eine Gewährleistung jedweder Art wird ausgeschlossen. Er ersetzt weder den Theorieunterricht, noch
den praktischen Teil einer speziellen Ausbildung. Dieser Artikel ist lediglich eine Einführung
in dieses Thema des Tauchsports. Tauchen unter einer geschlossenen Eisdecke birgt besondere Gefahren in sich und ist nur
von erfahrenen Tauchern mit einem hohem Maß an persönlicher und technischer Vorbereitung sicher durchzuführen!
Kürzlich sah ich Taucher ins Wasser steigen, die ihre Sicherungsleine einfach an einem Baum festgebunden hatten.
Niemand war am Ufer zu sehen. Es stellte sich heraus, dass es der erste Eistauchgang der beiden war und dass sie
sich kaum Gedanken um die Sicherheit gemacht hatten. Das notwendige Wissen fehlte. Mit diesem Artikel versuche ich zu erreichen, dass
ich nicht Dich aus dem Wasser fische, wenn ich das nächste mal an einer irgendwie angetüterten Strippe zerre. Bedenke immer: Bei
persönlichen oder auch technischen Problemen, welche aufgrund der niedrigen Temperaturen beim
Eistauchen vermehrt auftreten, kannst Du nicht einfach so auftauchen!
Grundlegender Ablauf und Sicherstellung
Für einen Eistauchgang braucht man einen absolut verlässlichen Tauchpartner, einen ebensolchen
Signalmann und einen entsprechend ausgebildeten Rettungstaucher. Niemand taucht ohne Leinensicherung
unter dem Eis!
Getaucht wird wie immer zu zweit, beide Taucher sind durch eine kurze Buddyleine fest miteinander verbunden.
An einem der beiden Taucher (Gruppenführer) wird zuätzlich die Signalleine befestigt. Der Signalmann steht am
Rande des Eisloches und hält über diese Signalleine den Kontakt zu den Tauchern. Leinensignale werden vorher
vereinbart und sind allen Beteiligten bekannt.
Ein weiterer erfahrener Taucher, der Rettungstaucher, hat sein Gerät schon komplett zusammengebaut und
steht bereit. Im Falle des Notsignals an der Signalleine, ist er sofort zu den beiden Eistauchern unterwegs.
Auch er ist selbstverständlich mit einer eigenen Signalleine ausgerüstet.
Der Rettungstaucher kommt auch zum Einsatz, wenn sich der Knoten der Signalleine gelöst hat
(ein richtig gesetzter Palstek löst sich nicht von selbst!) und ein oder beide
Taucher nun ohne Sicherung im Wasser schwimmen. Das Eisloch auf eigene Faust wieder zu finden ist nahezu unmöglich.
Beim Versuch kann sich sogar noch weiter vom Loch entfernen. Hier heißt es Ruhe bewahren und dicht unterm Eis
an der Stelle warten, wo man den Kontakt zur Signalleine verloren hat. Die Leine des Rettungstauchers ist länger
als die Signalleine der beiden Taucher. Er schwimmt damit im Kreis um das Eisloch herum fängt so die
"Verlorenen" wieder ein.
Die Kälte
Wer schon vor dem Tauchgang friert, hat verloren. Geeignete Kleidung, warme (nichtalkoholische!) Getränke
und Bewegung helfen hier. Auch sogenannte Heatpacks, an denen man sich die schnell frierenden Hände wärmen kann,
leisten gute Dienste. In jedem Fall sollte man einen Satz Wechselwäsche dabei haben. Beim öffnen des Eisloches hat
man schnell mal Wasserkontakt. Damit meine ich nicht unbedingt, dass man reinfallen könnte. Um das Eisloch
herum steht immer mehr oder weniger hoch Wasser, was die Socken feucht und die Füsse kalt werden lässt. Schnell
ist man im Eifer des Gefechts auch ausgerutscht und hat die ganze Hose nass. Ist nun nichts Trockenes zum
Anziehen vor Ort, kann man den Tauchgang vergessen. Wird das Eis klassich mit der Axt geöffnet, kommt man sehr schnell ins
schwitzen. Auch diese Feuchtigkeit sorgt schon nach kurzer Zeit dafür, dass Du schneller frieren wirst.
Siehe auch: Tauchen und Unterkühlung (Hypothermie)
Die Tauchtechnik
Gerade beim Eistauchen ist es unbedingt erforderlich, ein Doppelventil und damit zwei getrennt
voneinander absperrbare Atemregler zu nutzen. D.h. zwei Ventile, zwei erste und zweite Stufen -
selbstverständlich alle gut kaltwassertauglich. Friert der eine Regler ein, so kann vom Tauchpartner
das entsprechende Ventil abgesperrt werden und man nutzt den anderen Regler. Sich von unten mit dem
Tauchermesser ein Atemloch hacken zu können ist ein Irrglaube, dem ich schon öfter begegnet bin.
Bei Lufttemperaturen unter dem Gefrierpunkt sollte man den ersten Atemzug erst unterhalb der Wasseroberfläche
machen. Die Gefahr, dass der Atemregler einfriert ist sonst zu groß. Die Ausnahme ist hier natürlich
der besonders gewissenhaft durchzuführende Sicherheitscheck. Dabei aber bitte nicht zu stark und lange auf
den Luftduschen rumdrücken! Einmal vorsichtig durch jeden Regler einzuatmen reicht als Test aus.
Siehe auch: Vereisungsgefahr bei Atemreglern
Optimal ist weiterhin natürlich ein Trockenanzug. Aber auch mit einem gut sitzenden Halbtrockenanzug ist
Eistauchen möglich, dann nur nicht so lange. Gegen kalte Füße helfen zusätzliche Neoprensocken im Füßling,
3-Finger Handschuhe sind wärmer als 5er und Eishauben tragen ihren Namen auch nicht umsonst. T-Shirts halten
den aufgewärmten Wasserfilm besser am Körper und wenn man sich vor dem TG warmes Wasser in den Anzug gießt, dann
bringt auch das einen kleinen Vorteil.
Gut macht es sich immer, wenn beide Tauchpartner neben einer Lampe (unter schneebedecktem Eis ist es nicht sehr hell)
auch über ein Blitzlicht verfügen. So sehen sie sich bei schlechten Bedingungen gegenseitig besser und sind evtl. auch von
oben durch das Eis zu erkennen.
Tragfähigkeit des Eises und Sicherung des Einstiegs
Zur Tragfähigkeit von Eisflächen habe ich verschiedene, auch voneinander abweichende Angaben
gefunden. Je nach Landkreis und Bundesland erfolgt eine offizielle Freigabe ab einer Eisdicke von 15
Zentimetern oder mehr. Dies ist auch die untere Grenze für Eistauchgänge. Ab 10cm können zwar
schon mehrere Personen gemeinsam auf's Eis, die Frage ist eben nur, wie viele genau den "mehrere"
sind und wie dicht sie beisammen stehen dürfen.
Erfahrungsgemäß versammeln sich auch diejenigen immer in lockerer Runde um das Eisloch, die schon im
Wasser waren oder noch gehen werden. Also alle recht nah beeinander. Ausserdem ziehen Eistaucher auch immer
massenhaft Zuschauer an und auch dieses Gewicht ist vorher mit einzuplanen. Achte bei der Auswahl einer
geeigneten Stelle auf Wasserflecken oder Verfärbungen. Sie können Hinweise auf brüchige Stellen sein.
Schon bevor das Eisloch geöffnet wird, ist dieser Bereich mit Stangen und rot-weißem Absperrband abzusichern.
Wir wollen doch nicht, dass ein traumtänzerischer Schlittschuhläufer unfreiwillig zum dritten Tauchpartner wird.
Bevor man den Tauchplatz wieder verläßt sind alle Löcher im Eis mit Zweigen und Absperrband
deutlich sichtbar als Gefahrenbereich zu kennzeichnen. Wenn die ausgesägten Eisplatten aus dem Loch
herausgenommen wurden, dann schiebt man sie wieder zurück. So friert das Loch schneller wieder zu.
Weitere Tipps und Hinweise
- Das Ende der Signalleine darf keinesfalls lose auf dem Eis rumliegen. Schnell ist es dem Signalmann aus der Hand gelitten und damit auch die
einzige Verbindung zu den Tauchern im Wasser. Wir nutzen immer einen kleinen Anker. Der wird fest im Eis verhakt und die Signal- sowie alle
weiteren Sicherungsleinen werden daran befestigt.
- Die Signalleine sollte möglichst hell oder sogar signalfarben sein. Ist sie aus schwimmendem Material (z.B. Polypropylen), dann kann sie sich auch nicht am Grund verhaken.
- Der Signalmann bekommt zusätzlich Steigeisen (Bergsport) angeschnallt. Damit holt
ihn nichts so schnell von den Füssen.
- Dem einen oder anderen liegt das Tauchen mit Buddyleine nicht. Gerade bei der UW-Fotografie ist die recht kurze Verbindung zum Tauchpartner mitunter
hinderlich. Hier gibt es nur eine Lösung: Jeder Taucher bekommt seinen eigenen Signalmann. Die Regeln des Partnersystems werden dadurch
natürlich nicht ausser Kraft gesetzt.
- Liegt Schnee auf dem Eis dann empfielt es sich, Rinnen in Schneeschieberbreite vom Eisloch weg
freizuschaufeln. Es entstehen schneefreie Strahlen, die in alle Richtungen vom Eisloch ausgehen. An ihnen
kann man sich orientieren, sie lassen Licht ins Wasser und ermöglichen es den Tauchern, auch mal
auf das bunte Treiben oben auf dem Eis zu schauen.
- Befestigt man ein Blitzlicht an einer Boje und wirft dies in das Eisloch, dann ist der Ausstieg für die
Taucher schon von weitem zu erkennen. Gibt ein beruhigendes Gefühl :-)
- Auf Isomatten o.ä. steht es sich doch deutlich wärmer und sicherer um das Eisloch herum. Zur Not tun es auch die
Fußmatten aus dem PKW.
- Einige Schaufeln Sand um das Eisloch verteilt, verringern die Rutschgefahr deutlich.
- Unter dem Eisloch sollte es mindestens 4m tief sein. Dadurch wird verhindert, dass die Taucher beim Ein- und
Ausstieg den Grund aufwirbeln und für die nachfolgenden Gruppen die Sichtweite vermiesen.
- Kenntnisse in 1. Hilfe und die üblichen Info's über die Rettungskette vor Ort sind selbstverständlich.
- Sollte doch mal jemand eingebrochen sein, dann ist es gut, wenn schon alles bereit liegt. Leinen, lange Äste,
Bretter oder auch der umgedrehte Klapptisch sind im Fall der Fälle hilfreich.
- Ein Becher Glühwein ist immer eine leckere Sache, aber selbstverständlich erst nach dem Tauchgang erlaubt!
- Achte auch beim Eistauchen auf den Umweltschutz. Müll wird wie immer wieder mitgenommen und Schilfgürtel werden nicht
betreten. Halte beim Tauchen besonderen Abstand zum Grund, um die Fische nicht in ihrer Winterruhe zu stören. Eine
Motorsäge ist zum öffnen des Loches besser geeignet als eine Axt, da sie unter Wasser weniger laut zu hören ist.
- Hat man die Möglichkeit, ein beheizbares Zelt aufzustellen, dann ist dies das Superlativ an Komfort.
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